Ruhrfestspielhaus

Ruhrfestspiele II
Während des kalten Winters 1946/47 standen die Hamburger Theater vor der Schließung, weil sie über keine Kohlen mehr für die Beheizung und den Betrieb der Bühnentechnik verfügten. Der Verwaltungsdirektor des Deutschen Schauspielhauses, Otto Burrmeister, der Betriebsratsvorsitzende der Hamburgischen Staatsoper, Karl Rosengart, und andere fuhren in zwei holzgasbetriebenen LKW ins Ruhrgebiet, um auf den Kohlezechen um Hilfe zu bitten. Von der Autobahn A2 sahen sie die Schlote der Kraftwerksanlagen bei der Zeche König Ludwig 4/5 in Recklinghausen-Suderwich und nahmen die nächste Abfahrt. Die Bergleute der Zeche halfen den Theaterleuten unter Umgehung der Kontrolle durch die Besatzungsmächte und luden die LKW mit Kohle voll. Diese illegale Aktion wurde mehrfach wiederholt, bis die beladenen LKW von der Militärpolizei einmal entdeckt wurden.

Zum Dank für die Kohlehilfen gastierten im Sommer 1947 150 Schauspieler der drei Hamburger Staatsbühnen unter dem Motto „Kunst gegen Kohle“ im Städtischen Saalbau Recklinghausen. Zur Eröffnung spielte die Hamburgische Staatsoper mit dem Philharmonischen Orchester am Abend des 28. Juni die Mozart-Oper Figaros Hochzeit. In der Oper unter der Regie von Kurt Puhlmann und dem Dirigat von Wilhelm Brückner-Rüggeberg, spielten unter anderem Alfred Pfeifle und Gustav Neidlinger. Am nächsten Vormittag führte das Thalia-Theater das Lustspiel Das verschlossene Haus von Michael Harward auf (Regie: Heinz Sailer). Abends spielte die Staatsoper zusammen mit dem Philharmonischen Orchester die komische Oper Don Pasquale von Gaetano Donizetti. Die Stücke wurden an den folgenden zwei Tagen wiederholt. Am 1. Juli spielte das Deutsches Schauspielhaus unter der Regie von Willy Meyer-Fürst einen „Russischen Komödienabend“ mit den Eintaktern Er ist an allem schuld von Leo Tolstoi und Der Heiratsantrag und Der Bär von Anton Tschechow, der am folgenden Nachmittag wiederholt wurde. Am Abend des 2. Juli spielte die Staatsoper zum Abschluss erneut Figaros Hochzeit. Die Eintrittskarten kosteten zwischen 4 und 5 Reichsmark, die Erlöse gingen an die Unterstützungskasse für Berginvalide der Zeche König Ludwig.

Der Hamburger Bürgermeister Max Brauer hielt zu den ersten Festspielen eine Rede von der Förderbrücke zu der Belegschaft der Zeche: „Ich kann mir eine andere und neue Art der Festspiele vorstellen. Festspiele nicht nur für Literaten und Auserwählte, sondern Festspiele inmitten der Stätten harter Arbeit. Ja, Festspiele im Kohlenpott vor den Kumpels. Ja, Festspiele statt in Salzburg in Recklinghausen.“ (Quelle: wikipedia)


Erste Jahre
Die Stadt Recklinghausen und der Deutsche Gewerkschaftsbund gründeten die Gesellschaft zur Durchführung der Ruhrfestspiele und riefen die Ruhrfestspiele als jährliches Ereignis ins Leben. Die künstlerische Leitung hatte Dr. Karl Pempelfort 1947 bis 1951 inne. Ihm folgte 1952 bis 1965 Otto Burrmeister. Das Programm war in den ersten Jahren von klassischem Theaterrepertoire (Goethe, Schiller, Shakespeare) und populären Opern (Mozart, Wagner, Verdi) geprägt. 1952 kam mit "Wir sind noch einmal davongekommen" von Thornton Wilder zum ersten Mal Gegenwartstheater auf den Spielplan. Mit dem Gastspiel "Herr Puntila und sein Knecht Matti" der Städtischen Bühnen Frankfurt wurde 1955 erstmals ein Stück von Bertolt Brecht aufgeführt.
Ebenso wichtig wie die Aufführungen im Saalbau waren die Kontakte zwischen den Theaterleuten und den Arbeitern. Besondere Bedeutung hatten dabei die „Invalidenkonzerten“ in der Lohnhalle der Zeche König Ludwig 1/2. Die Schauspieler machten Grubenfahrten und diskutierten mit den Arbeitern. Damit die Arbeiter auch tatsächlich einen Großteil des Publikums stellten, wurden die Preise niedrig gehalten, aber zwei Drittel des Kartenangebots über die Gewerkschaften vertrieben.

Umzug ins Ruhrfestspielhaus
Finanzielle Unterstützung leistete das Land Nordrhein-Westfalen ab 1949. In den kommenden Jahren wurde das Ereignis ständig erweitert: Die Festspielzeit wurde verlängert und Konzerte, Kunstausstellungen und politische Veranstaltungen einbezogen, die Opernaufführungen wurden jedoch nach 1953 eingestellt. Der Spielort Saalbau wurde zu eng und den technischen Ansprüchen nicht mehr gerecht. Max Brauer forderte daher 1950 den Neubau eines Theaters in Recklinghausen. Der Stadtrat beschloss 1953 den Bau des Ruhrfestspielhauses auf dem Hügel des Stadtgartens. Mit finanzieller Hilfe des 1959 vom regelmäßigen Festspielbesucher Theodor Heuss gegründeten Vereins „Freunde der Ruhrfestspiele“ konnte der Grundstein des Festspielhauses am 3. Juni 1961 gelegt werden. 1965 fanden die Aufführungen erstmals im Ruhrfestspielhaus statt.
Nach zunehmender Kritik wurde das Programm in den 1960er und 70er Jahren politischer. Ein 1976 gegründeter Beirat aus Betriebsräten und Gewerkschaftsvertretern gestaltete das Programm mit. Unabhängige Theatergruppen wie das GRIPS-Theater oder die Theatermanufaktur gastierten häufiger und es wurden vermehrt Brecht-Stücke auf die Spielpläne gesetzt. Das Rahmenprogramm wurde außerdem um das junge forum, die Kulturtage und das Kulturvolksfest am 1. Mai ergänzt.

Ensemble der Ruhrfestspiele
Seit 1977 zeigte das Ruhrspielmobil eigene Produktionen auf Gewerkschaftsveranstaltungen in der Region. 1981 gründete sich das Ensemble der Ruhrfestspiele. Das Ensemble warb auf etwa 100 Aufführungen im Jahr mit eigenen Produktionen (Wer bezahlt die Zeche?, Der Weltuntergang, Rockefeller I) bundesweit für die Ruhrfestspiele. Nach einer Neuformation 1983 bekam es den ständigen Spielort Theater im Depot im alten Recklinghäuser Straßenbahndepot. Ab 1984 übernahm die Formation auch je eine große Inszenierung bei den Festspielen.

Reform der Festspiele
Die Ruhrfestspiele wurden 1990/91 zum Europäischen Theater reformiert. Der neue Festspielleiter HansGünther Heyme legte besonderen Wert auf die Zusammenarbeit mit ausländischen Theatern. Damit sollte die „Kultur als das gemeinsame Erbe der Nationen zwischen Atlantik und Ural kann als die Basis Europas angesehen werden“ sowie „wachsende[m] Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit“ entgegengewirkt werden. Heyme stellte die Festspiele jeweils unter ein bestimmtes Motto (1991 Reichs-Gründungen, 1993: Aufbrüche – 25 Jahre nach ’68, 1996: 50 Jahre Ruhrfestspiele – Kunst ist der Motor jeder Kultur, 1998: Zukunft ohne Vergangenheit, 2001: Mut, sag ich, Mut, 2002: SehnSüchte).
Während der Renovierung des Ruhrfestspielhauses 1997 bis 199 fanden die Aufführungen beispielsweise in der Vestlandhalle, im Theater Marl, im Eisenlager der Zeche Auguste-Victoria in Marl und im Theaterzelt der Ruhrfestspiele statt. (Quelle: wikipedia)
Ruhrfestspiele II

Ruhrfestspiele III
Aktuelle Entwicklung
Nachdem der Vertrag von Hansgünther Heyme nicht verlängert wurde, übernahm Frank Castorf im August 2003 die Leitung für die Festspiele 2004. Die Intendanz übernahm Gérard Mortier, der gleichzeitig Indentant der RuhrTriennale war, mit der die Ruhrfestspiele fusioniert werden sollten. Unter anderem wurde beispielsweise Christoph Schlingensief engagiert, der 10 Autos mit Lautsprechern, die jeweils einzelne Instrumente von Wagner-Opern spielten, ausstattete und sie als Wagner-Rallye quer durchs Ruhrgebiet fahren ließ. Doch Castorfs experimentelles, postdramatisches Theater schreckte das Publikum offenbar ab. Es wurden etwa 22.000 Karten verkauft, nur etwa die Hälfte der Vorjahre. Die rückläufigen Besucherzahlen in Kombination mit teuren Produktionen führten die Ruhrfestspiele Recklinghausen GmbH mit einem Verlust von etwa 80.000 € in die Zahlungsunfähigkeit. Nach der Bekanntgabe von Frank Castorfs vorzeitiger Entlassung im September 2004 trat Gérard Mortier als Intendant der Ruhrfestspiele und der RuhrTriennale vorzeitig zurück.
Neuer Festspielleiter wurde der Intendant des Théâtre National du Luxembourg, Frank Hoffmann. Er versuchte bei den Ruhrfestspielen 2005 innerhalb des knappen Budgets mit einer Mischung aus mehr etablierten Stücken mit bekannten Namen und weniger experimentellen Aufführungen ein größeres Publikum anzusprechen. Hoffmann stellte Gotthold Ephraim Lessing in den Mittelpunkt und setzte Minna von Barnhelm, Emilia Galotti und Nathan der Weise auf den Spielplan. Bereits im Vorverkauf wurden mehr Karten abgesetzt, als in der gesamten Spielzeit des Vorjahres. Der Trend setzte sich auch im Jahr 2006 mit Vorverkaufszahlen, wie sie zuletzt 1962 erreicht wurden, fort. 2006 setzte Hoffmann Stücke von William Shakespeare in den Mittelpunkt der Festspiele. Besonderen Aufmerksamkeit erhielt die Aufführung des Dramas Richard II. in einer Inszenierung des Old Vic Theatre mit Kevin Spacey und Greg Wise in den Hauptrollen. (Quelle: wikipedia)
Ruhrfestspiele III

Ruhrfestspiele IV
Das Ruhrfestspielhaus in Recklinghausen.
Auf dem „grünen Hügel“ des Recklinghäuser Stadtgartens erhebt sich weithin sichtbar ein monolithischer Block, das Ruhrfestspielhaus Recklinghausen. Schnörkel und ornamentalen Zierrat sucht man vergebens. 1965 wurde es für die Ruhrfestspiele Recklinghausen als „Ort der Musen und der Begegnung“ dem Stil der Zeit entsprechend aus Lohndorfer Basaltlava mit Konstruktionselementen erbaut. Am 11. Juni 1965 übergab Bundespräsident Heinrich Lübke das neu erbaute Festspielhaus, welches durch Spenden von Bergleuten und Freunden der Ruhrfestspiele, mit Mitteln des DGB, des Landes NRW und der Stadt Recklinghausen gebaut wurde, seiner Bestimmung.
Nach einer fast zweijährigen Um- und Ausbauphase (1997 bis 1998), mit einem gläsernen, der Architektur des Bauhausstils nachempfundenen Vorderhaus versehen, wurde es 1998 wieder eröffnet. Ein transparentes, den Stadtgarten als Blickfang einbeziehendes Ambiente bietet seitdem eine entspannte Atmosphäre zum Verweilen.(Deutscher Architekturpreis 2001)
Die Idee des alten Ruhrfestspielhauses zu bewahren und zugleich neu zu interpretieren, es den Erfordernissen der Kulturszene gerecht zu machen und durch eine aktuelle Infrastruktur für Kongresse und Veranstaltungen zu ergänzen, war Vorgabe für die veränderte Architektur.
Kreativität spielt eine große Rolle. Auch als ein Zeichen dafür begrüßt den Gast auf dem Vorplatz eine Monumentalskulptur: die „Liegende Figur Nr. 5“ – eine der bedeutendsten Arbeiten des britischen Bildhauers Henry Moore.
Im Eingangsfoyer erinnert ein 1,7 Tonnen schwerer Kohlebrocken aus der Zeche König Ludwig 4/5 an die Entstehung der Ruhrfestspiele Recklinghausen 1946.
Die Attraktivität des Hauses wird erhöht durch die beiden großflächigen Wandbilder des Malers Hans Werdehausen in den Seitenfoyers - er gehörte zu den Gründern der Künstlergruppe „junger westen“. Als er 1965 dieses Werk ausführte, trieb er die informelle Malerei, die die deutsche Kunst der Nachkriegszeit entscheidend geprägt hatte, noch einmal einem Höhepunkt entgegen.
Die Inschrift im Eingangsfoyer erinnert an die Anfänge der Ruhrfestspiele und verdeutlicht die Sinngebung des Ruhrfestspielhauses: „Dieses Haus ist ein Werk der Demokratie: Es soll nach dem Wort von Theodor Heuss sein: eine Heimat der Musen, eine Herberge menschlicher Begegnungen, eine Burg freiheitlichen Seins.“
(Quelle: kir – kultur im ruhrgebiet)
Ruhrfestspiele IV

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