RWE Fernheizwerk Essen Nord
06/2013 In:
Essen | IndustrieRWE Fernheizwerk Essen Nord I
Geburt und Anfänge der RWE.
Die Elektrizitäts-Actien-Gesellschaft, vorm. Lahmeyer & Co., neben AEG und Siemens eine führende Gesellschaft in der Kraftwerks- und Elektrobranche, schließt am 23. Dezember 1897 mit der Stadt Essen einen Vertrag zur Elektrizitätsversorgung. Der Vertrag beinhaltet u. a. ein Vorzugsrecht auf die Benutzung öffentlicher Verkehrswege für elektrische Leitungen, die Festlegung von Tarifen, eine Abgabe von den Bruttoeinnahmen (Konzessionsabgabe) und die Ausdehnung der Stromversorgung auf angrenzende Gemeinden.
Am 25. April 1898 wird die RWE mit 2,5 Millionen Reichsmark Grundkapital, unter maßgeblichen Einfluss von Hugo Stinnes, gegründet. Die Lahmeyer-Gesellschaft hält zusammen mit ihrer Finanzgesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für elektrische Unternehmungen 86% der Aktien der RWE. Die restlichen 14% der Aktien halten 4 Handelsgesellschaften und vier Einzelaktionäre. Im Zuge der Gründung übernimmt die RWE den Vertrag mit der Stadt Essen. Obwohl sie keine Anteile besitzen, gehören der Essener Oberbürgermeister Erich Zweigert und der Industrielle Hugo Stinnes dem ersten Aufsichtsrat an.
Auf dem Gelände der Stinnes-Zeche Victoria-Mathias errichtet die RWE ihr erstes Kraftwerk welches am 1. April 1900 mit einer Leistung von 1,2 MW in Betrieb genommen wurde. Um die Bestimmungen des Kohlesyndikats zu umgehen liefert Stinnes keine Kohle an das Kraftwerk, sondern versorgt die Turbinen mit dem Dampf aus dem Kesselhaus der Zeche. Mit dem Trick “Dampf statt Kohle“ konnte Stinnes die Abgaben an das Kohlenkartell umgehen und den Strom 10-20% billiger produzieren. Er sicherte damit seiner Zeche einen langfristigen Kohleabsatz, ohne selber das Risiko einer Kapitalinvestition tragen zu müssen und verschaffte dem RWE einen kostengünstigen Rohstoff.
RWE Fernheizwerk Essen Nord II
Ein Konzern entsteht.
Infolge der starken Nachfrage nach Stromanschlüssen, die eine rasche Erweiterung und Finanzierung des Maschinenparks bei der EAG (Elektrizitäts-Actien-Gesellschaft) notwendig machten, kommt es trotz Kapitalerhöhung und Krediten bei der EAG zu Liquiditätsengpässen. Infolge dieser “Elektrokrise“ verkauft die EAG ihren RWE-Aktienbesitz an ein Konsortium der Industriellen August Thyssen und Hugo Stinnes. Hugo Stinnes wird Aufsichtsratsvorsitzender. Doch dem dynamischen Unternehmer ist das Stadtgebiet Essen zu klein. Durch eine aggressive Akquisitionspolitik, Gegenseitigkeitsverträgen mit Zechen und Stahlwerken, Beteiligung von Kommunen am Aktienkapital und der Unternehmenspolitik das billiger Strom ein Anreiz für Neuanschlüsse ist, expandiert die RWE innerhalb weniger Jahre zu einem der größten deutschen Stromlieferanten. In der Folgezeit etablierte sich die RWE als Konkurrenzkillender Billiganbieter für elektrischen Strom.
Doch nicht überall werden die Expansionsbestreben der RWE unter ihren Vorständen Alfred Thiel (Vorstand 1902–1930) und Bernhard Goldenberg (Vorstand 1904–1917) widerstandlos hingenommen. Nach 3-jährigen Auseinandersetzungen mit den Kommunen des westfälischen Ruhrgebietes und der AEG gelingt 1908 eine Abgrenzung der Versorgungsgebiete (Demarkation). Die von den westfälischen Kommunen als bedrohlich wahrgenommene Expansion der RWE führte zur Gründung der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen AG (VEW), die viele Jahre später mit der RWE fusionierte (Oktober 2000).
Schon 1906 expandiert die RWE in den bergischen und rheinischen Raum durch Übernahme der Bergischen Elektrizitätswerks GmbH, Solingen, und einen Vertrag mit der Aktiengesellschaft für Gas und Elektrizität in Köln. Die Inbetriebnahme der Kraftwerke Reisholz (1909) in Düsseldorf und Niederrhein (1910) in Wesel leitet die Elektrifizierung des Rheinlands ein. 1914 macht die RWE durch die Inbetriebnahme des Kraftwerks "Vorgebirgszentrale" (Brühl, 45 MW, später Goldenberg-Werk) den entscheidenden Schritt zur Braunkohleverstromung. Durch den Bau großer, kostengünstiger Kraftwerke in unmittelbarer Nähe zu den Tagebauen wird dir Stromerzeugung billiger. Dieser Faktor wird der Folgezeit das weitere Wachstum des Unternehmens entscheidend begünstigen.
Die Geschäfte der RWE gingen auch nach dem 1. Weltkrieg so gut dass sie 1923 die EAG (Elektrizitäts-Actien-Gesellschaft) kaufen konnte. Durch den Kauf der EAG sicherte sich RWE wichtige Positionen in Süddeutschland. Als Hugo Stinnes 1924 starb, gab es z.B. schon den Plan einer Hochspannungsleitung, mit der die rheinischen Kohlekraftwerke mit den Wasserkraftwerken im Süden verbunden werden sollten. Hugo Stinnes besaß nie die Aktienmehrheit der RWE aber seine dynamische, nicht immer unumstrittene Art, war Motor der Expansion und beschleunigte die Elektrifizierung Deutschlands.
RWE Fernheizwerk Essen Nord III
Eine neue Ära beginnt.
Nach dem Tod Goldenbergs im Jahr 1917 wurde Arthur Koepchen Vorstand des Unternehmens. Arthur Koepchen prägte als technischer Vorstand für drei Jahrzehnte die wirtschaftliche und technische Unternehmensentwicklung der RWE. In nur fünf Jahren Iäßt Arthur Koepchen eine 800 km lange Hochspannungsleitung vom Hauptumspannwerk Brauweiler bei Köln über Koblenz, Frankfurt, Rheinau, Stuttgart bis zu den Vorarlberger lllwerken nach Bludenz in Osterreich legen. Diese Südleitung war so ausgelegt, dass sie, statt der zu dieser Zeit technisch machbaren 220.000 Volt, in Zukunft auf eine Spannung von 380.000 Volt geschaltet werden konnte. Am 17. ApriI 1930 ging die Südleitung in Betrieb.
Nun konnte der schwarze Kohlestrom mit dem weißen Wasserstrom verbunden werden. Tagsüber lieferten die Wasserkraftwerke des Südens Strom in die Industriegebiete des Nordens. Doch die Wasserkraft konnte noch mehr als lediglich billig und schnell zur Spitzendeckung zugeschaltet zu werden. Die überschüssigen Kohlekapazitäten konnten jetzt dazu genutzt, nachts das Wasser der Pumpspeicherwerke den Berg hin auf in die Speicher zu leiten.
Interessant ist, dass die am 17. April 1930 in Betrieb genommene Südleitung bereits für eine Spannung von 380 kV konzipiert war. Koepchen hatte, in weiser Voraussicht der zukünftigen Stromsteigerungen, die Elektroindustrie unter Druck gesetzt, damit sie für das RWE Leitungen entwickele, die die zu dieser Zeit technisch machbaren 220 kV bei weitem übertreffen sollten. Erst 27 Jahre später flossen erstmals 380 kV durch eine Hochspannungsleitung, nämlich 1957 durch die Leitung Rommerskirchen-Hoheneck.
Dadurch wurde Arthur Koepchen zum “Vater der Verbundwirtschaft”.
Arthur Koepchen war einer der deutschen Ingenieure, die die Technik für großdimensionierte Pumpspeicherkraftwerke als weltweite Pionierleistung entwickelt haben. Nach ihm wurde das am 28. Januar 1930 in Betrieb genommene PSW Koepchenwerk der RWE AG in Herdecke an der Ruhr benannt. Mit diesem Pumpspeicherwerk konnte das Hauptproblem der Elektrizitätswirtschaft, die Bereitstellung elektrischer Energie zu Spitzenlastzeiten, gelöst und die Wirtschaftlichkeit und Auslastung der RWE-Kohlekraftwerke verbessert werden.
Detail des RWE Fernheizwerk Essen - Nord RWE Fernheizwerk Essen Nord X
Hinter dem Anblick des RWE Fernheizwerk Essen Nord verbirgt sich eine spannende Geschichte aus den Anfängen der Elektrifizierung Deutschlands. Dort wo sich jetzt das Fernheizwerk Nord erhebt, stand vorher das erste Kraftwerk des Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG (RWE), das 1898 neben der ehemaligen Zeche Victora Mathias errichtet wurde.
RWE Fernheizwerk Essen Nord IV
RWE Fernheizwerk Essen Nord V
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RWE Fernheizwerk Essen Nord VIII
RWE Fernheizwerk Essen Nord IX
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